Projektstart für „RESET“ zur landbasierten CO2-Entnahme

Beschleunigte Silikatverwitterung durch auf Ackerland ausgebrachtes Gesteinsmehl kann CO2 aus der Atmosphäre dauerhaft entfernen. Langzeitfolgen und -effekte müssen untersucht werden.

Zusammenfassung

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Hierfür reicht es nicht, drastisch CO2-Emissionen einzusparen, es muss zusätzlich CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden. Hierzu ist am GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung das Projekt RESET gestartet. Geowissenschaftler:innen untersuchen gemeinsam mit Kolleg:innen des RIFS Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit am GFZ, wie durch die beschleunigte Verwitterung von Silikatgesteinen dauerhaft CO₂ aus der Atmosphäre entfernt werden kann. Die Grundidee ist einfach und nutzt natürliche Prozesse, die seit Milliarden von Jahren auf der Erdoberfläche ablaufen: Gesteinsmehl wird auf Ackerflächen ausgebracht, wo es mit CO₂ reagiert, über den natürlichen Wasserkreislauf ins Meer gelangt und dort langfristig u.a. als Kalkstein gespeichert wird. Noch fehlen für diesen Ansatz belastbare Daten zu Wirksamkeit, Umweltauswirkungen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Das RESET-Projekt („Developing Roadmaps to Scalable Carbon Dioxide Removal by Enhanced Silicate Weathering“) soll diese Lücken schließen. Es wird im Rahmen der CDRterra-II-Initiative, ein Forschungsprogramm zu landbasierten CO2-Entnahmemethoden, vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) für eine Laufzeit von drei Jahren mit 1,4 Millionen Euro gefördert.

Hintergrund: Die Notwendigkeit, Emissionssenken zu schaffen

Die EU möchte bis 2050 klimaneutral werden, also netto-Null-Treibhausgas-Emissionen erreichen. Auch wenn die drastische Minderung von Treibhausgasemissionen oberste Priorität hat, reicht das allein nicht aus. Denn es gibt bestimmte Industrien und Prozesse, die trotz aller Minderungsbemühungen auch weiterhin CO2 emittieren werden – zumindest bis bestimmte technische Prozesse dekarbonisiert werden können. Dazu gehören beispielsweise die Zementherstellung, der Luftverkehr und Landnutzungsänderungen beispielsweise bei der Landwirtschaft. Daher ist eine zusätzliche und dauerhafte Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre nötig. Für Deutschland sind das ab 2050 allein ca. 100 Millionen Tonnen proJahr. 

Der Ansatz: Beschleunigte Silikatverwitterung in großem Stil

Zur dauerhaften CO2-Entnahme aus der Atmosphäre untersucht das GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung im neu gestarteten Projekt RESET einen vergleichsweise neuen Ansatz. Er basiert nicht auf technischen Innovationen, sondern setzt auf einen natürlichen Prozess, der auf der Erde seit Jahrmilliarden kontinuierlich CO2 aus der Atmosphäre entfernt: die Verwitterung von Silikatgestein. Der hier verfolgte Ansatz soll diesen natürlichen Verwitterungsprozess künstlich beschleunigen. Hierzu wird fein gemahlenes Gesteinsmehl auf landwirtschaftlich genutzten Böden ausgebracht. Dort verwittert es und reagiert mit CO₂, das anschließend in Form gelöster Karbonate im Zuge des natürlichen Wasserkreislaufs in die Ozeane gelangt und dort langfristig als Kalkstein gebunden wird. Diese beschleunigte Silikatverwitterung (engl.: Enhanced Silicate Weathering, ESW) hat das Potenzial, der Atmosphäre große Mengen an CO2 zu entziehen (CDR – Carbon Dioxide Removal) und dieses für Jahrtausende im Ozean zu speichern. Im Vergleich zu technologischen Methoden ist ESW eher kostengünstig, und Gesteinsmehl fällt beispielsweise beim Abbau von Basalt für die Baubranche an.

Potenziale und Forschungsfragen 

Modelle prognostizieren, dass allein durch ESW die CDR-Ziele des deutschen Klimaschutzgesetzes mehr als erreicht werden könnten, wenn alle landwirtschaftlichen Flächen dafür genutzt würden. Bisher fehlt jedoch eine klare und verlässliche empirische Grundlage, wieviel CO2 dieser Prozess unter natürlichen Bedingungen speichern kann. Es gibt bereits Vorstudien zu diesem Ansatz, sowohl im Labor als auch auf landwirtschaftlichen Flächen, sie laufen aber erst seit wenigen Jahren. Ein zentrales Problem ist, dass die Zeitskalen der ablaufenden chemischen Prozesse in natürlichen Boden-Ökosystemen deutlich länger sind als die bisherigen Versuchsreihen. Dies bedeutet wiederum, dass die tatsächliche Machbarkeit der beschleunigten Silikatverwitterung in großem Stil bislang noch nicht demonstriert werden konnte. Außerdem fehlen Strategien für das Monitoring und die präzise Quantifizierung des aus der Atmosphäre tatsächlich entfernten Kohlenstoffs. Darüber hinaus sind die langfristigen Auswirkungen auf das gesamte Boden-Ökosystem unbekannt, auch der Einfluss des Gesteinsmehls auf den Bodenkohlenstoff oder die Humusbildung ist nicht eindeutig geklärt. Und nicht zuletzt fehlen Erkenntnisse über Rahmenbedingungen und Grenzen der praktischen Durchführbarkeit, die sich z.B. aus den Wechselwirkungen mit dem Bodenhumus ergeben und auch von der Bereitschaft der Landwirte und politischen Entscheidungsträger abhängen, ESW umzusetzen. 

Forschungsansatz am GFZ mit RIFS: Geoforschung Hand in Hand mit transformativer Nachhaltigkeitsforschung

Das RESET-Projekt geht diese Wissenslücken systematisch an. Konkret werden neuartige organisch- und anorganisch-geochemische Isotopenproxies entwickelt, die auf gut charakterisierten und langfristigen (20-30 Jahre) Experimenten basieren. Sie erlauben eine Quantifizierung der CO2-Aufnahme – beispielsweise in den Bikarbonaten, die in den Ozean transportiert werden, sowie im Bodenhumus. Die geowissenschaftlichen Erkenntnisse werden mit einer sozialwissenschaftlichen Analyse verknüpft. Sie untersucht die gesellschaftlichen Implikationen von ESW, um die kausalen Zusammenhänge sowie die systemischen Auswirkungen, Triebkräfte und Hemmnisse von ESW für eine skalierbare und nachhaltige Umsetzung bewerten. 

„Mit diesem Projekt nutzen wir die neu entstanden Synergien zwischen dem GFZ und dem RIFS Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit, indem wir naturwissenschaftliche und sozialwissenschaftliche Forschungsansätze für ein gesellschaftliche relevantes Thema kombinieren“, erläutert Projektleiter Dr. Patrick Frings, Arbeitsgruppenleiter in der GFZ-Sektion 3.2 „Organische und Erdoberflächengeochemie“. 


Leitende Wissenschaftler:innen (PIs)

Dr. Patrick Frings
Arbeitsgruppenleiter
Sektion 3.2 „Organische und Erdoberflächengeochemie“ 
GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung

Forschungsthema im Projekt: 
Entwicklung von geochemischen Proxies für ESW
 

Prof. Dr. Dirk Sachse 
Leiter des Labors für Organische Oberflächengeochemie
Sektion 4.6 „Geomorphologie“ 
GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung

Forschungsthema im Projekt: 
Der Effekt von ESW auf den organischem Bodenkohlenstoff 


Dr. Pia-Johanna Schweizer
Forschungsgruppenleiterin „Systemische Risiken“
RIFS Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit am GFZ 

Forschungsthema im Projekt: 
Gesellschaftliche Implikationen von ESW

zurück nach oben zum Hauptinhalt