Am 31. August hat sich um kurz nach 21 Uhr MESZ (lokale Uhrzeit: 23.47 Uhr) ein Erdbeben der Magnitude 6,1 östlich von Kabul, der Hauptstadt Afghanistans, ereignet. Nach bisherigen Medienberichten sind mehrere Hundert Menschen dabei gestorben und Tausende verletzt worden. Der Bebenherd lag in ca. 14 Kilometern Tiefe.
In der Region kommt es häufig zu Erdbeben, darunter immer wieder auch schwere. Die Ursache dafür ist die Bewegung von Erdkrustenplatten (Tektonik). In dieser Region liegen mehrere geologische Bruchzonen („Verwerfungen“), die ihren Ursprung in der Kollision der Indischen Platte mit dem Eurasischen Kontinent haben. Die Indische Platte schiebt sich dabei in die Eurasische Platte. Es entstand ein sehr breiter Deformationsgürtel, in der sich die Erdkruste auffaltet wie in einer Knautschzone. Zugleich kommt es an Verwerfungen zu starken Spannungen und einem Aufstauen elastischer Energie. Diese Energie wird dann ruckartig bei Erdbeben freigesetzt.
In der jetzt betroffenen Hindukusch-Region verläuft die Plattengrenze zwischen der Indischen und der Eurasischen Platte in nordöstlich-südwestlicher Richtung. Der Hindukusch ist Teil des Gebirgsgürtels zwischen Alpen und Himalaya und liegt westlich des Himalayas. Quer zur Plattengrenze schiebt sich die Indische Platte nach Nordwesten unter die Eurasische Platte. Das aktuelle Beben ist dementsprechend ein so genanntes Überschiebungsbeben.
Das GFZ untersucht seit mehr als einem Jahrzehnt die Tektonik und Geodynamik der zentralasiatischen Gebirge Pamir, Tien Shan und Hindukusch und hat immer wieder temporäre Messstationen installiert, immer in Kooperation mit lokalen Behörden und Hilfskräften.
Die jüngste seismische Aktivität unterstreicht die Notwendigkeit einer gründlichen wissenschaftlichen Untersuchung in der Region. Zu den bisherigen Analysen der Erdbeben dort trägt auch eine seismische Station in Kabul bei, die zum weltweiten GEOFON-Netz des GFZ sowie zu dem auf Geo-Gefahren fokussierten Global Change Observatory Central Asia des GFZ gehört. Aufgrund der lang anhaltenden politischen Unruhen in der Region sind unsere Möglichkeiten zur direkten Beobachtung von Ereignissen in dieser Region jedoch eingeschränkt: Es gibt nur eine sehr kleine Anzahl seismischer Stationen und keine GNSS-Stationen zur genauen Positionsbestimmung über Satellitenmessungen.